Licht, Wärme und Wasser erwecken im Frühjahr die Baumknospen. Für viele offenbart sich damit das Geheimnis des Lebens
Seit Tausenden von Jahren ist der biomechanische Ablauf nahezu identisch: Über den Winter geschützte Baumknospen werden im Frühjahr durch Licht, Wärme und Wasser erweckt und verhelfen den Waldbäumen zu Wachstum. Wurde dies noch vor einer Menschengeneration mit Respekt und Demut beobachtet, ist im Zeitalter des Internets der Dinge und der zunehmenden Entfremdung vor allem junger Menschen von der Natur die Faszination dieser elementaren Vorgänge weitgehend verblasst. Dabei verbirgt sich hinter diesem wenige Tage andauernden Prozess schlicht und einfach das Geheimnis des Lebens.
Jeder Baum hat seine typische Knospe
Knospen gibt es so viele verschiedene, wie es Bäume gibt. Förster können einen Baum allein aufgrund seiner Knospen identifizieren, auch ohne anhängendes Blatt, ohne Nadel, ohne Rinde. Neben Größe, Form und Farbe spielt auch die gegenseitige Anordnung der Knospen am Trieb eine wichtige Rolle. Rund 70 Baumarten finden sich in Thüringens Wäldern, wovon etwa 30 forstlich genutzt werden. Schon im Herbst werden die Knospen in den Trieben dieser Bäume vorbereitet, um dann im Frühjahr zu erwachen und diese wachsen zu lassen. Damit das passiert, wird die Knospe im Winter gegen Wasser, Kälte und Schadinsekten geschützt. Das geschieht mittels Schuppen, die die Knospe umhüllen und mechanisch schützen, und durch ein klebriges Sekret aus Harz und Gummi, das zur Abdichtung dient. Einige Knospen sind zusätzlich behaart.
Knospen sind vielfältig und durchaus robust
Knospen sind dicht aufeinanderliegende, sehr kleine Blattorgane. Bis zu vier Zentimeter groß sind die rötlich-braunen Knospen der Rosskastanie, während die Eiche über orange-braune, eiförmige und zugespitzte Knospen verfügt, die am Zweigende oft gehäuft auftreten. Während die Knospen der Esche mattschwarz sind, sind die Knospen des Ahorns oder etwa der Fichte fast grasgrün. Beide sind im Durchmesser größer, als der sie tragende Trieb. Die Knospen der Buche, häufigste Laubbaumart Thüringens, sind lanzettartig zugespitzt und rötlichbraun. Werden Knospen von Tieren abgefressen, etwa durch Rehwild, entsteht an der Pflanze ein Schaden, der zum Absterben z. B. eines Laubbaumes führen kann. Auch dies zeigt, wie wichtig Knospen für das (Über-)Leben der Pflanze ist.
Ein einfacher Zweig auf der Fensterbank birgt das Geheimnis des Lebens
Wer dieses Naturschauspiel aus nächster Nähe beobachten will, fragt im Frühjahr den Förster nach ein paar Zweigen. Diese in Wasser auf die sonnige Fensterbank gestellt, zeigen sich so die Zusammenhänge nach wenigen Tagen. Sobald das Wasser in die Triebe geflossen ist, brechen die Knospen auf und das Grün kommt zum Vorschein. Unsere Altvorderen haben am 4. Dezember, dem katholischen Barbaratag, Kirsch- oder Apfelzweige geschnitten, die dann an Weihnachten blühten.
So lässt sich mit geringem Aufwand insbesondere Kindern und Jugendlichen ein faszinierender Aspekt der natürlichen Lebensvorgänge vor Augen führen. Beeindruckende Naturmomente – auch ohne Display und Bildschirm und geradezu gemacht für pandemiebedingt freie Schulstunden.